Donnerstag, 1. Oktober 2015
Nächtlicher Aufstieg auf den Taishan
Vergangenen Samstag brach ich abends mit einer Gruppe ausländischer Studenten auf, um den Taishan (einer der fünf heiligen Berge Chinas) in der Nacht von Samstag auf Sonntag zu besteigen und vom Gipfel aus den Sonnenaufgang anzusehen. Der Aufstieg dauerte sechs Stunden, dabei mussten 6000 Treppenstufen erklommen werden, was ein Aufstieg von 1500 Metern bedeutete. Begleitet wurden wir von drei chinesischen Studenten der Shandong Universität.
Auf der 50-minütigen Zugfahrt zum Taishan-Bahnhof hatten wir Stehplätze. Ich musste jedoch nicht lange stehen. Schon nach kurzer Zeit fingen die chinesischen Fahrgäste auf den Sechserplätzen an, zusammenzurücken, damit ich mich dazu setzen kann. Anschließend machten meine Sitznachbarn, drei chinesische Studentinnen, Selfies mit der blonden Fremden.


Ich nutzte sogleich die Gelegenheit, meine 口语-Hausaufgabe für die nächste Woche zu erledigen, nämlich einen neuen chinesischen Freund/ Freundin kennenzulernen und diesem so viele Fragen wie möglich zu stellen. Am Montag präsentierte ich dann im 口语-Unterricht stolz meine neuen Freunde, die ich auf der Zugfahrt und während des Aufstiegs kennengelernt habe.

Vom Bahnhof in Taishan aus fuhren wir mit dem Taxi zum Fuß des Berges, um 23 Uhr begannen wir den Aufstieg.
Die anderen Europäer und die beiden Marokkaner stürmten sogleich nach oben und wurden bis zum nächsten Morgen nicht mehr gesehen, deshalb beschloss ich, gemeinsam mit den netten chinesischen Studenten und dem Koreaner den Aufstieg zu wagen. Die vier waren eine sehr angenehme Gesellschaft. Immer wieder machten wir Halt, schauten zurück auf den Weg, den wir schon geschafft hatten und motivierten uns, weiterzugehen. Die beiden Jungs warteten an einer Etappe sogar mit einer warmen Suppe auf uns, was sehr gut tat.

Mein Gipfelstürmerteam


Die flotten Europäer schafften es tatsächlich, die 6000 Stufen in 3.5 Stunden hochzusteigen. Oben angekommen mussten sie dann allerdings bei Eiseskälte noch weitere drei Stunden ausharren, um auf den Sonnenaufgang zu warten.


Ich hingegen kam mit meinem Trupp etwa eine halbe Stunde vor Morgendämmerung an, sodass wir nicht auskühlten. Wie der Zufall es so wollte, hatte ich außerdem noch etliche Jacken und einen Schlafsack sowie Frühstück für alle dabei. Man hatte mir immer wieder versichert, dass es auf dem Berg winterlich kalt sei und Essen und Getränke dort oben unbezahlbar teuer seien. Tatsächlich fror ich nur deswegen, weil ich beim Aufstieg zu warm angezogen war und meine sämtliche Kleidung nach kurzer Zeit nassgeschwitzt war und bei nassen T-Shirts scheinen selbst die wärmsten Jacken nichts zu helfen. Mein Schlafsack hat sich jedoch vorzüglich bewährt, da eine der beiden Chinesinnen in ihren Shorts sehr fror.


Oben angekommen sah ich den Berg vor lauter Menschen nicht: Tausende von Menschen waren nachts hinaufgestiegen.


Auch alte Menschen, kleine Kinder und Eltern mit Kind im Tragesäckchen nahmen die Strapazen des beschwerlichen und gefährlichen Aufstiegs auf sich. Die Stufen waren manchmal so schmal, krumm und steil, dass man leicht hätte abrutschen und bei einem Sturz über 100 Stufen andere Menschen mit in die Tiefe reißen können. Die Treppen waren allesamt ungesichert - dass Menschen manchmal abstürzen, scheint wohl ein notwendiges Risiko zu sein.

Mit der Seilbahn ging es dann nach Sonnenaufgang wieder den Berg hinunter. Am Bahnhof trafen wir wieder auf die anderen und da unser Zug erst am Mittag zurückfuhr, gingen wir noch zu KFC, um uns bei einer reichhaltigen Mahlzeit zu stärken, Kaffee und Bubble Tea zu trinken und ca. 2 Stunden mit den Köpfen auf den Tischen zu schlafen (ganz so wie es die chinesischen Gäste auch taten).

Der Ausflug zum Taishan war eine kräftezehrende Angelegenheit. Wir sind nicht nur die komplette Nacht wach geblieben, sondern haben währenddessen auch noch einen sehr steilen Berg bestiegen. Das war auf jeden Fall eine sehr interessante Erfahrung!

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